Kanada
Die zwei netten Mädchen erscheinen beim Frühstück – blond und blaß bzw. dunkelhaarig und -häutig. Beide eint die Nichtzugehörigkeit zu den Elfen dieser Welt. Vielleicht sind sie geheime Ehrenmitglieder, aber alle physischen Kriterien für Elfen hat man dann nicht herangezogen. Sie kommen aus Kanada und legen darauf großen Wert, obwohl ich zuerst nicht direkt bemerke, dass sie nicht aus dem Boeing-gepeinigten südlichen Nachbarstaat stammen. Ihr Wissensdurst auf Basis nicht vorhandener Europakenntnisse ist eklatant und doch erfrischend. ‚You must have many castles then in Germany?’ ‘Yes, yes, I suppose so. There are some in the North and in the South like Neuschwanstein and Heidelberg where all the Japanese and American tourists go.’ ‘Heidelboerg?’. Nicht ganz so bekannt wie viele in Deutschland denken und daher scheinbar doch überbewertet in meinem Heimatland dieses Städtchen, denke ich.
Zu Silvester gibts von den Bed&Breakfast Pringles eine Packung Oatcakes, 2 Miniflaschen Whisky und ein Stück Steinkohle. Alter schottischer Brauch: Was zu essen, trinken und für die Wärme.
‘So that’s coal then?’ sagt die Stimme Kanadas. ‘I’ve seen coal before once we had a barbecue.’ ‘That was charcoal then’ sagt Mike Pringle mit dem Allgemeinwissen des Europäers. ‚So is there a difference then?’ ‘Yes, charcoal is made from wood, coal is a sedimental mineral thousands of years old.’ ‘That’s awesome!!!’ Und wir alle denken still vor uns hin: ‘Yes it is, indeed.’
Holland
Die beiden holländischen Gäste, Lieutenant wilde Haarpracht und seine Gefährtin stumme Krächzerin sind auch zum Neujahrssektschlürfen an den Kamin gekommen und erklären gerade die feinen Nuancen zwischen Holland und den Niederlanden. Neither of which has probably been heard of by any of our North American friends. ‘So is it Holland or the Netherlands then who failed to qualify for this year’s football world cup? ist der erlauchte und interessierte Zuhörer geneigt zu fragen. Egal.
Touristisch ist Edinburgh eine Goldgrube. Das Scottish Whisky Heritage Centre wie auch die Original Weaver Woodmill sind in nächster Nähe zum Schloß angelegt und bedürfen daher keiner weiten Fußanreise. Für alle Menschen dieser Welt ist auch gesorgt, denn die Hinweisschilder sind in allen Weltsprachen bis hin zu so Majoritäten wie portugiesisch oder holländisch gehalten. Leider ist die letzte Führung durch das Whisky-Center schon vorbei, so daß uns da wohl ein extrem großer Spaß entgangen ist.
Trotzdem hat die Weberei geöffnet, wenigstens das, was man entdecken kann, wenn man sich nach Stunden durch die ihr vorgelagerten Souvenirshop-Gestade gewunden hat. Dort kann man sich für einen moderaten und doch nicht unstolzen Eintrittspreis die Kunst des Webens am lebendigen Webstuhl erklären lassen, eine Kunst, die so auch noch heute – im Prinzip wenigstens- bestimmt noch bei der Fertigung der originalen Clan Kilts im fernen Osten zum Einsatz kommt. Ausgefuchste Besucher haben auch die Möglichkeit, ohne Zahlung eines Obolus’ durch Hinabschauen von den umliegenden Galeriegängen dieselben Informationen zu erlangen. Der Leser darf raten, für welche Gruppe wir uns entscheiden. Letztendlich bietet sich auch die Möglichkeit, sich in einer Originaltracht mit Kilt und Mütze fotografieren zu lassen. Zur Komplettierung des authentischen Bildes besteht noch die Auswahl zwischen mehreren hinter einem Vorhang luftdicht gelagerten Rostschwertern. Die aufgebaute schottische Landschaft umfaßt so typische Details wie einen welligen Kunstrasen und einen originalgetreuen Pappstein. Was hätte ich für ein Foto gegeben, doch die Zeit war einfach zu knapp. Ein ander Mal vielleicht.
Silvester
Es ist der 31. Dezember und die Jahreszeit hält temparaturmäßig, was sie verspricht. –6 Grad Celsius, gefühlte etwa –15 Grad. Man mummelt sich in alles, was man für diese Zwecke mitgebracht hat ein und stellt sich an die Bushaltestelle, auf die Transportgefährte mit dem unfreundlichsten Personal wartend, das Europas Nahverkehrsgewerkschaften zu bieten haben.
Im Haus gegenüber wird das Licht gelöscht und es erscheinen drei junge Menschen, 2 männlich und eine weiblich. Junge 1 und Mädchen sind winterlich gekleidet. Junge 2 und Wohnungsbesitzer scheint entweder seit Monaten nicht aus seinem Zimmer gekommen und daher von der Temperatur überrascht zu sein oder irgendwelche internen Energiequellen gespritzt zu haben. Jedenfalls hat er nur ein landestypisches heraushängendes Hemd an und stellt sich in Erwartung der vier kommenden ‚Wir warten auf den Gongschlag’ Stunden an die Bushaltestelle. Zwei Minuten vergehen und -o Wunder - er verschwindet kurz und erscheint wieder mit einer schützenden Joppe. Gleichzeitig froh, den Glauben an die Menschen wiedergefunden zu haben und doch ernüchtert, dass manche Konstanten im Vereinigten Königreich doch nicht ganz so konstant sind, steigen wir in den Bus ein. Der ist nämlich gerade gekommen.
Der gerade ernüchterte Glaube an die Widerstandsfähigkeit gegen tiefe Temperaturen wird später wiederhergestellt. Vor uns geht eine junge Frau mit einer modischen weitgeschnittenen Jeans, die die Füße komplett verhüllt. Beim Laufen jedoch werden doch Teile ihrer Laufwerkzeuge freigegeben und --- was sehen wir beim genauen Hinschauen? Teile des nackten Fußes sind sichtbar. Oh Gott, vielleicht hat sie sich verletzt und muß jetzt wegen des geschwollenen Fußes Badelatschen tragen? Der zweite Blick und Schritt enthüllt die bare Wahrheit. Es sind weder ein geschwollener Fuß noch eine schlimme Krankheit, die Mary Scott hier zum Fast-Barfußlaufen verdammen. Nein, es sind modische Riemchen, die die Sohle an der Fessel des schlanken und doch blaugefrorenen Fusses befestigen. Selbst gewählte Pein und Kasteiung in diesen Gefilden Europas. Wer hätte das gedacht.
Ameisen besteigen einen Berg
Der Arthur`s Seat ist ein ehemaliger Vulkankegel in Wurfweite des Stadtzentrums von Edinburg. Heute findet der Neujahrstriathlon zu seinen Füßen statt. Erst ein bißchen schwimmen im Commonwealth Pool, dann ein paar Runden mit dem Rad um den Berg und dann noch ein paar Runden zu Fuß um den Berg.
Gleichzeitig scheinen es traditionelle Bräuche oder neuzeitliche Langeweile am ersten Januar zu bedingen, dass tausende Menschen heute den Berg besteigen oder wenigstens das, was sie dafür halten. Der gepeinigte Berg scheint unter der Last zu ächzen, aber der pfeifende Wind bietet ein ähnlich lautes, das Ächzen überdeckendes Geräusch. Eine erstaunliche Anzahl der heute unterwegs Befindlichen tragen Wanderschuhe. Professionalität im Schuhwerk, aber nicht auf den durch diese Schuhe betretenen Pfaden.
Niemand achtet beim Aufstieg auf die Wege, auf die vereinzelten und scheinbar verzweifelt aufgestellten Markierungen. Jeder wählt den aus seiner Blickwarte günstigsten und nächsten Weg zum Ziel. Oben versammelt man sich kurz. Wenn man ein Kind ist, bewegt man sich dicht an den Abgrund und aus dem Blickwinkel der sorglosen Eltern heraus. Dann geht’s wieder runter. Ne Hetzerei ist das. Vereiste Wegfurchen zwingen die Herabsteigenden zum Hinabrutschen auf vier Extremitäten. Dicke Mädchen beginnen das neue Jahr schon mit Spaß und rutschen auf Plastiktüten die steile 200m lange Piste runter. ‚I have to see this’ sagt der spontane Schotte, beobachtet kurz und teilt dann deren Plastiktüte mit einer schottischen Maid.
Die schmale Plastikplane verwandelt sich tangagleich in ein fadenartiges Gebilde und verhält sich dann nach 50 Metern zwischen Grasnarbe und Körperunterseite auch dementsprechend.
Ein schönes neues Jahr!
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