Und Heidelberg hat so einiges zu bieten. Zuerst sei da mal an die tausenden Touristen erinnert, die nachweislich und mehrheitlich aus Japan und den USA kommen, um eine typische deutsche Stadt zu sehen. So typisch, dass es keine zweite davon gibt. Und dieses Schloss, dass wohl auch so etwas wie die Körperung einer romantischen Schlossruine aus dem Märchen darstellt.

Und dann bin ich da und zu allem Überfluss beschert die Klimakatastrophe mir und Heidelberg ein Ende vom April, das eher an den Juli erinnert. Alle sitzen draußen, es wird leckerer Wein gereicht (auf Anfrage) und noch unbehelligt von der Trockenheit schippert der Neckar vorbei und transportiert noch zusätzliche Romantik in Stadt und Schloss-
Und dann kommt mich auch noch die Stefka besuchen und wir beide wohnen im Hotel der Hotels dieser Stadt, einem Traum aus eigendesignten Möbeln, schönster Einrichtung, feinstem Parkett und höchstmöglicher Freundlichkeit. Was kann es schöneres und erholsameres und chilligeres geben als ein paar Tage ohne wirkliche Arbeit, beschult zu werden und dann abends auf seine seit Stunden schon sehr erholte Freundin zu treffen, mit ihr dann ein wenig am Neckar zu liegen, feinsten Lidl-Montepulciano zu verzehren und sich beim Tritt in ein Erdloch eine Bänderdehnung zu holen?
Nicht viel, und ich denke und bin mehr als sicher, dass der durchschnittliche japanische Tourist eine weniger ereignisreiche Zeit und einen geringeren Erholungwert hatte als wir beiden.

Und das, obwohl ich in meiner unendlichen Sportbegeisterung am zweiten Jogging-Tag in Folge kurzfristig beschloss, nach Überquerung der alten Neckarbrücke den scheinbar machbaren Anstieg über den Philosophenweg zu nehmen.
Nach einer kurzen Kurve baute sich der Berg mehr als senkrecht vor mir auf. 100 m vor mir gingen langsam zwei japanische Touristen, der Weg wahr wohl in einen Reiseführer gerutscht. Ich überholte sie noch höchst motiviert und begann aber nach der nächsten Kurve und aus ihrer Sichtweite herausgelaufen, die Richtigkeit meiner Entscheidung anzuzweifeln. Mein Atem näherte sich einer für Menschen zu hohen Geschwindigkeit, auch als ich nach einer weiteren Minute vor mir (es muss knapp vor dem Horizont gewesen sein) den schon vorgelaufenen männlichen Japaner der Reisegruppe Nippon erblickte. Dieser ging zwar bedächtig und langsam, jedoch bestimmt und willensstark den Berg hinauf. Wie sollte ich an ihm vorbeikommen? Ihn hinterrücks mit einem der in den Mauern vermauerten Felsen erschlagen? Die Stimmen und Sprachen seiner Begeleiterinnen imitieren, die ihn von unten aus dem Basislager um Hilfe riefen? Selber Hilfebedürftigkeit vorschützen und dann im geeigneten Augenblick an ihm vorbeischreiten? Ich sage hier schreiten, denn laufen schien im Moment außerhalb meiner Möglichkeiten zu sein. Ich ließ ihn erstmal noch um die nächste Ecke entkommen und zwang mich, weiterzuGEHEN. Ich lief in diesem Moment nicht mehr, denn es war mir unmöglich geworden. Da schien es eine mathematische Beziehung zwischen dem prozentualen Anstieg meiner Laufstrecke und meiner Fähigkeit, ein Bein vor das andre zu setzen, zu geben. Damit hatte ich nicht gerechnet.
Ich zwang mich dennoch weiterzugehen, nur kurz verschnaufend, als ich -peinlich berührt- ein Liebespaar erblickte, dass auf einer rechtsgelegenen und aufs Tal blickenden Terrassierung abseits des Weges küssend meine Unfähigkeit erblickte, den Sohn Nippons im Bergstieg zu bezwingen. Ich schämte mich und fing trotz völliger Erschöpfung an zu traben, ein Fakt, der mich nach 10 Sekunden direkt wieder in Sichtweite des Japaners brachte bzw. ihn auch in meine Sichtweite.
Irgendwie schaffte ich es dann -LAUFEND- an ihm vorbeizukommen und mich um die nächste Ecke zu mogeln, alles immer noch laufend. Und dann nach zwei weiteren Kurven erblickte ich etwas, das ich in diesem Moment für ein Symbol der Erlösung der Welt von allem Übel hielt:
DER Waagerechte Weg am Hang, der auch meine Rettung war! Ich wartete auf die anerkennenden Blicke anderer Jogger, die das nur in der Gegenrichtung gewagt hatten. Ich erntetet wiederum nur mitleidige Blicke für einen, der einerseits keinen Plan vom Philosophenweg in Heidelberg und zweitens auch keinen vom gesunden Jogging hat. Nichtsdestotrotz lief ich weiter und kam nach 10 Minuten an den steilen Abstieg, an dem viele andere Läufer wiederum Schwäche zeigten und knieschonend gingen.
Ich schonte meine Kniee nicht, lief unbeirrt weiter, auch wenn es weh tat. Eine der von mir passierten Schönstvillen war sicherlich eine Sportklinik, in der man derart beschädigte Beingelenke wieder hnibekommen würde. Doch ich würde ja erst am übernächsten Tag in ein Erdloch treten und möglicherweise Ihrer Hilfe bedürftig sein.
Wieder unten im Tal angelangt erreichte ich den Neckar mit seinen Uferwiesen, auf denen fleißige Studenten nun die letzten Stunden ihres vermeintlich lehrstoffangefüllten Tages -der prallen Sonne ausgesetzt und Härte zu sich selbst zeigend- verbrachten und dabei scheinbar Rettung in Spiel und Alkohol gefunden hatten. Oh Du schöne Jugend der Bildung, des Austauschs und der Ertüchtigung!
Es war ein schöner Abend, ich genoss noch ein wieder zu scharf geratenes Thai-Mahl (nur zwei Chillis auf der Karte) und einen Wein dazu und freute mich meines Lebens und der Aussicht der am nachfolgenden Tage eintreffenden Stefka...
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