Wie lange kann man ein Gespräch ohne „Bitte“ und „Danke“ führen?
2 Minuten? 5 Minuten? 10 Minuten?
Ich denke, es hängt davon ab, ob man sich in einer Kunde-Dienstleister-Umgebung befindet. Wenn ja, dann sollte man es nicht zu lange ohne die beiden unerlässlichen Höflichkeitsfloskeln der deutschen Sprache aushalten. Allgemein gültig? Sollte es sein!
Ich hatte ein Rundum-Anliegen an die Deutsche Post, das deren klassischem Geschäftsmodell Pakete ausliefern, Pakete annehmen entsprach. Keine Probleme zu erwarten eigentlich. Keine Anfragen an eine Postfiliale, die wegen der Wirmachenallesdochkönnennichtsphilosophie der gelben Läden eventuell nicht erfüllt werden könnten (z.B. postbankartige Anfragen nach Geldwechsel in mexikanische Pesos).
Nein, mir fiel nur auf dem Weg zur Bonner Filiale in der Dorotheenstraße ein, dass ich keinen Personalausweis dabei hatte. Den hatte ich vor kurzem verloren und er war an die Adresse meiner Eltern geschickt worden (andere Adresse, andere Geschichte). Doch ich fasste frohen Mut, es war ein schöner Tag und es würde schon werden.
Ich erblickte also den Mitarbeiter hinter dem Tresen, denn ich war nach kurzer Wartezeit schon an der Reihe. Er trug eine dieser wunderbaren Arizona-Jeans, wie sie Anfang der neunziger Jahre vom Quelle- oder Otto-Katalog in die Welt hinaus propagiert worden waren. Es handelte sich um einen gewagten Schnitt, ähnlich einer Karotte und doch hüftweise sehr hoch aufgehängt. Der Angestellte nutzte die Hüftmöglichkeiten seiner Beinkleider auch optimal aus, denn offenkundig war der Abstand Achsel-Hose nur noch minimal und gleichzeitig erkundete die Naht im Schritt der Hose wohl schon das Körperinnere des Postlers. Ein dem Corporate Design der Deutschen Post entlehnter Schlips war etwas zu kurz gebunden, passte somit aber zum geringeren sichtbaren Oberkörperbereich des Mannes. Er pendelte frech hin und her, so kurz wie der Schlipsknoten es eben zuließ. Seine Haare hatte der Postmann wiederum Anfang der 80iger blondieren lassen und hielt seitdem standhaft und irgendwie auch verzweifelt an diesem modischen Offenbarungseid fest.
Ich war also dran, zeigte mein aufzugebendes Päckchen und meinen Abholschein für das abzuholende und brachte höflich und unter Nutzung meiner erlernten Bitte- und Danke-Vokabeln mein Ansinnen vor.
Er sagte so was wie: „Ausweis!“ „Oh,…“ dachte ich. „Schon hab ich das Problem.“ Ich erklärte ihm, dass ich den nicht dabei hätte. Was man da denn tun könnte. „Nach Hause gehen und Ausweis holen!“, war der wörtliche Wortlaut des Replikanten. Aufgrund einer früheren ähnlichen Posterfahrung hatte ich jedoch noch eine Idee, blickte mich suchend um und screente die nicht vorhandene Warteschlange hinter mir.
Ich fragte den Mann, ob die junge Dame hinter mir mit einem Ausweis mein Päckchen nach entsprechender Bevollmächtigung abholen könnte. Er hielt sich nicht bei konversationsverlängernden Höflichkeitsfloskeln auf und sagte „Ja!“ Ich fragte eine junge Dame, ob sie Ihren Ausweis dabei hätte, sie bejahte und wir begannen gemeinsam, die Bevollmächtigung auszufüllen, wofür kein Ausweis meinerseits sondern nur meine Unterschrift notwendig war.
Der Postmann reagierte etwas pikiert, als wir ihn so ausmanövriert hatten, musste mir jedoch das Päckchen aushändigen. Das tat er einigermaßen wortlos. Also eigentlich völlig wortlos. Dann gab ich das Päckchen, das ich mitgebracht hatte auch noch auf und bezahlte die 3 Euro 90 Cent gern an den Mann. Er hatte wörtlich gesagt „Dreineunzig!“ Ich bedankte mich noch einmal ausdrücklich und höflich, benutzend die Worte Danke und Bitte. So hatte ich es die ganze Zeit getan. So hatte der Mann die ganze Zeit seine Konversation brillierend geführt, ohne die beiden Worte benutzt zu haben.
Ich packte draußen vor der Tür mein Päckchen von Amazon aus, entsorgte die Verpackung in posteigene Abfallbehälter und warf noch einen Blick auf die Packstation. Mit der hätte ich wahrscheinlich ein besseres und zielführenderes Kundegespräch führen können.
Dienstag, März 20, 2007
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1 Kommentar:
Kann ich absolut bestätigen, die Postangestellten in der Dorotheenstraße kann man alle in die Tonne kloppen. Ich geh da wirklich ungern hin. Das modische Desaster des gesamten Personals ist ja ganz lustig anzusehen; so wird das Warten in der Schlange etwas versüßt.
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