ganz wunderbar...finde ich...geschrieben mein ich
Liebe Leute
Von Markus Feldenkirchen
Bei einer öffentlichen Fraktionssitzung im Hessischen Landtag wird erkennbar, wie die Linke Politik macht.
Guck mal hier, sagt der Willi, ich hab 'nen Flyer gemacht. Er läuft die Tischreihen entlang, das Holz knarzt unter seinen Füßen, er legt jedem einen gefalteten Zettel auf den Platz. Angekündigt wird eine Konferenz, auf der die Linke in Hessen dagegen protestieren will, dass sie vom Verfassungsschutz beobachtet wird. "Gegen die Kriminalisierung der Linken", steht in roten Buchstaben auf dem Flyer.
"Ehm, äh, Willi, ich weiß jetzt nicht, ob das so richtig rum ist", sagt jemand, er hält den Flyer aufgeklappt in die Luft. Leider hat der Willi den Text spiegelverkehrt in seinen Flyer kopiert. Der Willi heißt eigentlich Willi van Ooyen, aber in diesem Kreis hier spricht man sich nur beim Vornamen an, wie auf dem Schulhof.
"So ein Mist", sagt der Willi, "nun ja, wir üben noch." Dann setzt er sich auf seinen Stuhl. Es ist Dienstag, 10.15 Uhr, und die hessische Linke trifft sich in Saal 118 S des Wiesbadener Landtags zu ihrer Fraktionssitzung. Es tagt die berühmteste und mutmaßlich gefährlichste Fraktion Deutschlands. Aus der Wand ragen Leuchten wie Hirschgeweihe.
"Okay, los, damit wir keine Zeit verlieren, liebe Leute", sagt der Willi. Seit er mit dem Hermann, der Janine, der Barbara, dem Uli und der Marjana im Hessischen Landtag sitzt, ist die deutsche Politik nicht mehr wiederzuerkennen. Im November wollen die Linken Andrea Ypsilanti zur Ministerpräsidentin von Hessen wählen, sie wollen ihre Regierung dulden, Roland Koch wäre dann weg. Wenn man Koch und seine Freunde über diese sechs reden hört, dann klingt es, als gehe das Abendland demnächst unter und die DDR kehre zurück.
Neben den sechs Abgeordneten sitzen ein paar Referenten. Sie haben die "Junge Welt" und Butterbrotdosen mit Apfelschnitzen dabei, einer trägt Socken in Sandalen, ein anderer sieht aus wie der späte Holger Meins.
Anders als die SED und die herkömmlichen Parteien, tagt die Linke öffentlich. Jeder kann kommen und den sechs Abgeordneten dabei zugucken, wie sie die Zukunft planen. Das ist schon mal beruhigend: Wenn sie tatsächlich eine Revolution in Vorbereitung hätten, würden sie wahrscheinlich geheim tagen.
Der Willi ruft den Tagesordnungspunkt "Eröffnung Wahlkreisbüro Kelsterbacher Wald" auf, das Büro soll am nächsten Wochenende eingeweiht werden. "Die Fertigbauhütte ist aufgebaut", sagt der zuständige Referent. "Es wird musikalische Unterstützung von einer Band geben, die, Moment, ich glaube der Costas organisiert hat." Der Willi nickt zufrieden, es geht gut los.
"Dann kommen wir jetzt zum Thema Probeabstimmung." Ypsilantis Wahl zur Ministerpräsidentin wird erst im November stattfinden, aber an diesem Dienstag sollen die sechs schon mal das Wählen üben. Das verlangen die Grünen. Sie wollen wissen, ob die Partei, von der sie sich dulden lassen wollen, verlässlich ist. Sie wollen herausfinden, ob es unter den Linken einen Heckenschützen gibt. Einen Verräter.
"Ich würde sagen, wir machen die Abstimmung öffentlich", sagt der Hermann. "Wir laden SPD und Grüne ein, die können dann den Wahlvorstand machen."
"Nä, Leute, das ist jetzt nicht euer Ernst", ruft die Marjana, sie wirft ihren lila Strickschal über die eigene Schulter, ihre Brille zittert auf der Nasenspitze. "Leute, das is' jetzt nicht euer Ernst, oder? Ich meine: hallo? Leute, wirklich, ich hab langsam genug. Diese Zurschaustellung geht mir wirklich zu weit. Sonst binde ich mir zur Abstimmung ein rotes Bunny-Schleifchen um die Stirn."
Das Wesen von Heckenschützen lag bisher darin, dass sie sich nicht zu erkennen gaben. Heide Simonis zum Beispiel kennt ja ihren Heckenschützen bis heute nicht. Marjana jedenfalls scheidet als Heckenschützin eher aus. "Hör mal, Marjana, wir haben aber schon angekündigt, dass wir das so machen mit der Abstimmung", sagt die Janine. "Wir müssen uns jetzt nur auf 'ne Uhrzeit einigen."
"Liebe Leute", seufzt Marjana.
"Fünf vor zwölf wär gut", sagt der Willi. Er macht gern mal Scherze. Am nächsten Tag nennt er die CDU im Landtag wegen ihrer Haltung zu Auslandseinsätzen "schießwütig". Er sagt auch "Stau in Hanoi", wenn es einen Stau in Hanau gibt.
Jetzt leitet er über zum vorerst letzten Punkt der Tagesordnung, dem Fraktionsbus. Die sechs haben einen roten Bus zur Verfügung gestellt bekommen, mit dem sie für sich werben dürfen, und dazu hat der Uli jetzt eine Frage.
"Ja, ich hätte gern noch 'ne Info, ab wann der eigentlich fahrtüchtig ist, also wann man damit los kann?"
"Nächste Woche", erklärt der Referent.
"Ich find das klasse mit dem Bus", sagt die Janine. "Vor allem find ich gut, was wir hinten drauf schreiben: 'Links überholt uns keiner.' Leute, das ist total witzig!"
Fände er auch, sagt der Hermann, und er habe auch noch eine Idee. "Wenn wir am Wochenende Getränke zum Kelsterbacher Wald fahren müssen, da wollte ich nur anregen, dass da der Bus zum ersten Mal zur Anwendung kommen könnte."
Dann bittet der Willi die Gäste doch noch, den Saal zu verlassen, weil man noch ein paar vertrauliche Dinge zu besprechen habe. Und dann steht man mit dem guten Gefühl vor Saal 118 S, nichts zu verpassen, weil da drinnen alles Mögliche geplant wird, aber sicher keine Revolution.
Man versteht jetzt auch besser, warum Politiker normalerweise immer hinter verschlossenen Türen tagen. Vielleicht ist es eine Maßnahme zum Schutz der Demokratie.
Dienstag, September 30, 2008
Montag, September 15, 2008
Montag, September 08, 2008
in der bahn
dicke frau mit tasche: sie hätten mich ja mal erst durchlassen können, das wäre besser gewesen.
er: ok, na klar, nächstes mal!
schonmal...
allein unterwegs gewesen, abends das ganze, hunger gehabt, ein restaurant gesehen, sich dann draußen hingesetzt, kurze 2 minuten gewartet, erfolglos geblieben, dann doch aufgestanden und sich nen döner und einen ayran geholt und ab ins hotel? nein? oh!
Abonnieren
Posts (Atom)